"Aktuell steht die gesicherte Versorgung an oberster Stelle"

Das Logistikzentrum Linz kommt mit seinem Warehouse dem Outsourcing Trend entgegen

Im Gespräch mit der ChefINFO - Das Magazin für Führungskräfte spricht Niederlassungsleiter Michael Rauhofer über neue Lieferkettenstrategien, neue Globalisierung, CO2-Einsparungen in der Logistik und wie KI die Branche verändern wird.

Wie haben Sie persönlich die letzten Jahre erlebt (Lieferketten, China etc.)?

Es war eine anspruchsvolle und fordernde Zeit. Dank unserer Netzwerkvorteile und unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter konnten wir sie mit großer Stabilität und Resilienz meistern. Grundsätzlich hat uns die Pandemie die Abhängigkeiten in der globalen Lieferkette deutlich vor Augen geführt. Der Lockdown eines chinesischen Werks im medizinischen Bereich kann schnell etwa zu einem Mangel an Kontratsmitteln führen. Schon müssen Operationen verschoben werden. Doch es ist schwer, sich von den globalisierten Wirtschaftsströmen abzukoppeln. Denn ein Medikament, das in Vietnam um drei Euro pro Stunde produziert wird, würde beispielsweise in Linz 30 Euro kosten. Die nötigen Arbeitskräfte dafür zu finden, wäre ebenfalls schwierig. Sinnvoller ist es daher, sich als Unternehmen breiter aufzustellen: Zum Beispiel mehr Ware vor Ort zu lagern.

Logistiker stehen an vorderster Front beim Thema Lieferketten. Lange hieß es, dass sich die Thematik im Q2/2023 entspannen sollte. Können Sie das bestätigen bzw. bei welchen Warengruppen hapert es noch?

Derzeit haben wir keine Lockdowns in China. Das hilft schon mal enorm. Dass es auch unabhängig davon zu Engpässen kommen kann, konnte man kürzlich in britischen Supermärkten beobachten, z.B. bei Obst und Gemüse. Die pandemiebedingten Lieferengpässe bei Rohstoffen, Computerchips und Autoersatzteilen sind zwar deutlich zurückgegangen, aber selbst wenn beispielsweise Medikamente verfügbar sind, kann es immer noch zu Engpässen kommen, wenn kurzfristig Verpackungsmaterial fehlt. Daraus haben viele Unternehmen bereits gelernt. Sie verlassen sich nicht mehr nur auf ein Land und haben ihre Lieferantenbasis deutlich verbreitert.

Die Globalisierung verändert sich. Die USA ruft „Bring Production back to US“ aus, auch die EU will Produktionen wieder zurückholen und sich unabhängiger machen. Welche Auswirkungen hat das auf die Logistikbranche?

Ja, die USA wollen sich etwa mit dem Schlüsselprodukt Mikrochips in Zukunft selbst versorgen. Wenn das klappt, könnte mit der Pharmaindustrie die nächste Schlüsselindustrie folgen. Wie sich die Lieferketten hinter den Kulissen verändern, zeigt eine Umfrage von Gartner unter 400 Supply Chain-Managern im zweiten Quartal 2022: 74 Prozent von ihnen haben in den vergangenen zwei Jahren Veränderungen bei der Größe und Anzahl der Standorte in ihrem Liefernetzwerk vorgenommen. Wir sprechen also von einer Transformation der globalen Lieferketten. Allerdings ist es unmöglich, alles aus China zu verlagern. Zu komplex und einzigartig ist die jahrzehntelang aufgebaute Infrastruktur unzähliger Fabriken und Produktionserfahrungen. China besitzt zudem die Hälfte der weltgrößten Containerhäfen.

Interview with: Michael Rauhofer

"Das bisherige "Just-in-time"-Prinzip ist angeschlagen. Für unsere Kunden steht die gesicherte Versorgung an oberster Stelle."

Die Erweiterung des Warehouse in Hörsching bei Linz bietet weitere Lagerkapazitäten. Ist der Trend zum Outsourcen der Lager nach wie vor aufrecht und ist "Just in time" heute überhaupt noch machbar?

Unsere Nachfrage beantwortet das mit einem klaren Ja. Das gesamte Lagervolumen bei DACHSER hat sich in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt. Mit der Erweiterung unseres modernen Warehouses können wir auf die unterschiedlichen Bedürfnisse unserer Kunden individuell eingehen. Auch für die Weiterentwicklung unserer Region setzen wir mit der Kapazitätserweiterung einen wichtigen Schritt. Das Logistikzentrum Linz ist ein wichtiger Bestandteil des weltweiten DACHSER-Netzwerks. Es ist optimal an die globalen Beschaffungs- und Distributionsmärkte angebunden. Alles auf eine Karte oder einen Standort zu setzen, ist, wie die Pandemie gezeigt hat, einfach zu gefährlich. Denn eine Störung in der Lieferkette kann schnell dazu führen, dass man nicht mehr handlungsfähig ist. Unsere Kunden wollen gegen Risiken abgesichert sein.

Das bisherige „Just-in-time“-Prinzip ist mehr als angeschlagen. Für unsere Kunden steht aktuell die gesicherte Versorgung an oberster Stelle. Doch das Ende von „Just in time“ könnte der Beginn einer Lieferkette sein, die vor allem durch Daten gesteuert wird. Denn mit Hilfe von voraussagenden Analysen zur dynamischen Bedarfsprognose werden Engpässe bei einzelnen Rohstoffen und Produkten oder kurzfristige Kauftrends schon sichtbar, bevor sie eintreten. So können Unternehmen z.B. eine Holzknappheit durchspielen, bevor sie tatsächlich passiert, und damit besser planen.

Welche großen Trends wird es aus Ihrer Sicht in den nächsten fünf bis zehn Jahren in Ihrer Branche geben?

Der verstärkte Einsatz von Automatisierung und künstlicher Intelligenz (KI) wird die Logistik revolutionieren. KI-basierte Lösungen werden zunehmend eingesetzt, um logistische Prozesse zu unterstützen und zu optimieren. Damit sind enorme Effizienzsteigerungen möglich. Wer innovative Technologien und Datenanalysen einsetzt, hat zudem die Chance, Kosten zu senken. Dem wird sich kein Unternehmen verschließen. Die gesamte Branche ist gefordert, nachhaltigere, umweltschonendere und energieeffizientere Logistikkonzepte zu entwickeln.

Ein großes Thema ist die CO2-Bepreisung und die drohenden Strafzahlungen. Das trifft nicht zuletzt die Logistikbranche. Wie kann man dem begegnen bzw. welche Pläne gibt es zur Dekarbonisierung?

Wie unsere Tests in fünf europäischen Ländern gezeigt haben, kann der Einsatz von sogenannten Lang-LKWs mit mehr Ladekapazität bei gleichem Gewicht CO-Einsparungen von bis zu 20 Prozent bringen. Um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren, arbeiten wir daher an einer konstant hohen Volumen- und Gewichtsauslastung pro Einzelsendung sowie an mehr Bahn- und Binnenschiffstransporten zu den Containerhäfen. Dazu forscht, entwickelt und innoviert Dachser aktiv rund um erneuerbare Energien. Bis 2025 vervierfachen wir die Photovoltaik-Kapazitäten an unseren Standorten. Wasserstoff- und Elektroantriebe werden bereits in der Praxis erprobt. Und die Energieversorgung unserer Immobilien hat Dachser weltweit auf 100 Prozent Ökostrom umgestellt.

Das Gespräch wurde in der ChefINFO in Print im März veröffentlicht.

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