Was tun, damit es nicht eng wird?

Warum es gegen Lieferengpässe kein Allheilmittel gibt, bessere Prognosen aber trotzdem entgegenwirken – darüber spricht Michael Rainer, Managing Director Air & Sea Logistics von DACHSER Eastern Europe and Austria.

Michael Rainer, Managing Director Air & Sea Logistics von DACHSER Eastern Europe and Austria.
Michael Rainer, Managing Director Air & Sea Logistics von DACHSER Eastern Europe and Austria.

Fällt in der Ukraine die Maisernte aus, hat das nicht nur direkte Auswirkungen, wie 50 Prozent Maisausfall in Spanien oder 46 Prozent in Dänemark, sondern auch kaskadenartige indirekte Folgen: 26 Prozent weniger Eier und 20 Prozent weniger Schweinefleisch in Portugal. In Österreich wären 28 Lebensmittel betroffen. Es würde sich hierzulande erheblich auf die Produktion von Alkohol und Süßstoffen auswirken sowie auf Geflügel- und Schweinefleisch. Das zeigt der Food Supply Shock Explorer, ein Modell, das Forscher wie Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) entwickelt haben.

Hefemangel kann Betriebe lahmlegen

Die Pandemie hat die Schwachstellen der globalen Lieferketten schonungslos aufgedeckt. Ausfälle von Medikamenten, Mikrochips oder Fleisch und Obst innerhalb der EU haben gezeigt, wie abhängig wir von Lieferanten aus anderen Ländern sind und wie schnell es zu Versorgungsengpässen kommen kann. Auch in Österreich hat der kurzfristige Ausfall von Hefe gezeigt, wie anfällig die heimische Produktion für Störungen in der Lieferkette ist. Im Handel oder im Dienstleistungssektor führt das zu Betriebsstillständen.

Laut einer Umfrage des CSH aus dem Jahr 2020 unter 100.000 WKO-Mitgliedern können die Lagerbestände in Österreich einen Lieferausfall im Durchschnitt für einen Monat kompensieren. 

Glücklicherweise sind die Lagerbestände in Österreich relativ hoch. Sie können einen Lieferausfall im Durchschnitt für einen Monat kompensieren, wie eine Umfrage des CSH aus dem Jahr 2020 unter 100.000 WKO-Mitgliedern zeigt. Für einen hohen Anteil vor allem ausländischer Lieferanten gibt es aber derzeit keine verfügbaren Alternativen. Das macht die österreichische Lieferkette insgesamt nur bedingt robust. Deswegen fordert der Österreichische Infrastrukturreport 2023 nicht nur transparentere Lieferketten, besonders von den Pharmafirmen, sondern auch mehr lokale Produktion sowie mehr Voraussicht und Planung in den Lieferketten, indem etwa der Bedarf an Medikamenten besser abgeschätzt und entsprechend vorproduziert wird.

Kein einzelner Produktionsstandort kann eine globale Verknappung ausgleichen.
Kein einzelner Produktionsstandort kann eine globale Verknappung ausgleichen.

Engpass trotz lokaler Produktion

Wie schwierig das ist, zeigt die heimische Antibiotika-Produktion. Die Tiroler Marktgemeinde Kundl ist weltweit der einzige Standort, an dem Antibiotika außerhalb Asiens hergestellt werden. Doch kein einzelner Produktionsstandort kann eine globale Verknappung ausgleichen. So kam es zu einer beispiellosen Marktschwankung und Engpässen, als nach einem Einbruch die Nachfrage nach Antibiotika im Jahr 2022 wieder anstieg. Nur in Österreich zu liefern und in anderen Ländern nicht, war keine Option. Supply-Chain-Experten wie Peter Klimek fordern daher mehr Investitionen, um den Bedarf an Antibiotika und anderen lebenswichtigen Produkten besser vorhersagen zu können und zu große Abhängigkeiten zu vermeiden.

Prognosen stärken die Lieferkette

Bessere Prognosen sind ein wirksames Instrument zur Vermeidung künftiger Engpässe auf der Grundlage historischer oder aktueller Daten. Sie können beispielsweise für Bedarfsprognosen, Bestandsplanung, Transportmanagement oder Risikomanagement eingesetzt werden. Unternehmen können so ihre Lieferkette proaktiv steuern und schnell und zuverlässig auf Marktschwankungen reagieren. Prognosen sind jedoch kein Allheilmittel für alle Probleme der Lieferkette. Sie erfordern auch eine geeignete Dateninfrastruktur, eine klare Strategie und eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren der Lieferkette. Und da Prognosen schwierig sind, sollte man sie regelmäßig überprüfen und anpassen.

Die globale Lieferkette ist kein starres Gebilde, sondern ein dynamisches Netzwerk.
Die globale Lieferkette ist kein starres Gebilde, sondern ein dynamisches Netzwerk.

Nicht alle Eier in einen Korb

Eine andere Möglichkeit, die Lieferkette zu stärken, ist die Verteilung des Risikos auf mehrere Lieferanten. Diversifizierung heißt aber nicht, alles in Europa oder Österreich zu produzieren, sondern mehrere Quellen zu haben. Das kann natürlich schwierig sein, denn die Märkte sind oft eng und fragmentiert. Jedes Unternehmen muss daher entscheiden, was für seine Produkte oder Dienstleistungen am besten passt. Die globale Lieferkette ist kein starres Gebilde, sondern ein dynamisches Netzwerk. Sie muss sich ständig anpassen und weiterentwickeln, um den Bedürfnissen und Erwartungen der Akteure zu entsprechen. Klar ist, dass unsere Lieferketten agiler und widerstandsfähiger werden müssen, um besser auf unvorhergesehene Ereignisse reagieren zu können.

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