Der Dominoeffekt der US-Zölle

Im Gastkommentar für den KURIER gibt Peter Deutschbauer, Managing Director von DACHSER Air & Sea Logistics East Europe and Austria, Einblick in die geopolitischen Herausforderungen und erklärt, warum Österreich und Europa jetzt handeln müssen, um faire Wettbewerbsbedingungen und wirtschaftliche Souveränität zu sichern.

Während Chinas Exportwelle ungebremst auf den europäischen Markt zusteuert und die USA mit hohen Zöllen reagieren, steht die EU vor einer industriepolitischen Bewährungsprobe.
Während Chinas Exportwelle ungebremst auf den europäischen Markt zusteuert und die USA mit hohen Zöllen reagieren, steht die EU vor einer industriepolitischen Bewährungsprobe.

Österreich erzielte 2024 mit den USA einen Exportüberschuss von 8,5 Milliarden Euro - durch die überbordenden Zölle des US-Präsidenten Donald Trump könnte unser zweitwichtigster Handelspartner wegbrechen. Doch das ist nur die halbe Katastrophe: Chinas gigantische Exportmaschinerie, von Washington abgewiesen, sucht sich neue Ziele - und Europa steht ganz oben auf der Liste. Eine Zwei-Euro-Paketgebühr der EU-Kommission auf Direktimporte aus Drittstaaten wie China wird die Flut nicht aufhalten. Die Senkung der 150-Euro-Zollfreigrenze auf null Euro schon eher.

Im April und Mai 2025 haben Temu und Shein ihre Werbeausgaben in Europa um über 40 Prozent erhöht, insbesondere in Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Auch die Download-Zahlen der Apps steigen dort deutlich an. Während die chinesischen Giganten in den USA nun auf Containertransporte und lokale Lagerhaltung umstellen, um die neuen Zollregeln zu umgehen, setzen sie in Europa weiterhin auf Direktversand aus China, solange dies regulatorisch möglich ist.

Gewaltige Dimensionen

Die Dimension dieser Umleitung ist gewaltig. Daten zu US-Kreditkartenausgaben deuten bereits auf eine deutliche Abkehr amerikanischer Konsumenten von Plattformen wie Temu hin. Ehemalige Temu-Käufer kaufen nun überproportional in US-amerikanischen Kaufhäusern, wie Bloomingdale's, oder bei Gebrauchtwarenläden, wie Savers.

Nur um ein Gefühl zu haben: Apple fliegt täglich Elektronik im Ausmaß von 1.000 Tonnen aus China aus, während Temu und Shein bis vor Kurzem jeweils 4.000 Tonnen Kleidung aus China ausgeliefert haben.

Ihre Containerströme kommen nun verstärkt nach Rotterdam, Hamburg und damit unweigerlich auch in Richtung österreichischer Konsumenten und vor allem: konkurrierender heimischer Betriebe. Diese schiere Masse, oft getragen von subventionierten Preisen und aggressiven Marktstrategien, trifft auf eine europäische Industrie, die ohnehin bereits unter Kostendruck steht.

Europa braucht eine entschlossene Industriepolitik.
Europa braucht eine entschlossene Industriepolitik.

Erste Reaktionen

Ankündigungen von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), Billigprodukte vom Markt zu nehmen, oder Finanzminister Markus Marterbauers (SPÖ) Pläne für Webcrawler gegen Zertifikatsbetrug sind erste Reaktionen. Doch sind das mehr als symbolische Deiche gegen einen heraufziehenden Tsunami? Europa braucht eine entschlossene Industriepolitik. Sie darf sich nicht nur auf Verteidigung konzentrieren, sondern muss auch aktiv wichtige Zukunftsfelder erschließen. Wenn nötig, müssen dafür stärkere handelspolitische Maßnahmen ergriffen werden, um Praktiken zu stoppen, die den fairen Wettbewerb untergraben.

Es reicht nicht aus, nur auf Diversifizierung in Märkte wie Südamerika oder Indien zu hoffen, wenn die wichtigsten Absatzmärkte in Europa bedroht sind. Die Zukunft Österreichs hängt von der Innovationskraft seiner Unternehmen ab. Damit das gelingt, müssen Wien und Brüssel rechtzeitig und entschlossen den Rahmen schaffen, bevor die Lage außer Kontrolle gerät. Jetzt ist es an der Zeit, nicht nur die Dämme zu verstärken, sondern die Weichen für Europas Souveränität klug zu stellen.

Autor: Peter Deutschbauer ist Managing Director Air & Sea Logistics von Dachser Austria.
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